Erläuterungen zur Karte des historischen Vorkommens der Maifische (Alosa alosa und Alosa fallax) auf dem Gebiet von Rheinland-Pfalz und angrenzender Gebiete

 

Unter dem Sammelbegriff „Maifische“ werden im deutschen Sprachgebrauch auch heute noch beide Arten der Gattung Alosa verstanden bzw. zusammengefasst. Ist vom „Maifisch“ die Rede, sollte nur Alosa alosa L. (Maifisch, Alse) als (echter) Maifisch mit diesem Namen belegt werden.

Von den Maifischarten, die der Familie der Heringsartigen (Clupeidae) angehören, zogen einst zwei Arten zum Zweck ihrer Fortpflanzung in unser Gebiet: Maifisch oder Alse (Alosa alosa Linnaeus 1758) und die sehr ähnliche, kleinere Finte (Alosa fallax Lacepède 1803). Beide Arten kommen fast im gleichen Lebensraum an den atlantischen Küsten einschließlich Nordsee und im Mittelmeer vor. Dabei dringt die Finte weiter nach Norden (Skagerak) und Osten (mittlere Ostsee) vor. Zum Laichen zogen beide Arten auf der Suche nach kiesigen Rauschen, Bänken mittelgroßer Fließgewässer oder kiesigen Ablagerungen unterhalb von Einmündungen in riesigen Schwärmen die Flüsse hinauf. Der Maifisch kam nach alten Quellen im Rhein bis oberhalb von Basel (Wiese und Birs) vor (LAUTERBORN 1903 nach BALDNER 1666).GROTE (VOGT) konstatierte 1909 für beide Arten das Vorkommen bis Laufenburg/Hochrhein. Zwar war die Anzahl der Maifische, die an den Laichplätzen zu finden und zu fangen waren, nicht jedes Jahr so zahlreich, aber auf ihr pünktliches Eintreffen im Mai (bzw. Ende April bis Anfang Juni) war Verlass. Da noch kaum Kenntnisse zu den wenig auffälligen Artunterschieden vorlagen, erhielten daher beide im Mai ankommenden Arten den Namen „Maifische“.

Eine historische Verbreitungskarte der beiden Maifischarten birgt unauflösbare Unsicherheiten: viele Quellen wurden zu Zeiten erstellt, in denen das Wissen von unterscheidbaren Arten, von sicheren Unterscheidungsmerkmalen und von deren Überlappungen nicht vorhanden bzw. nicht objektiv anwendbar waren. Als sich dieses Wissen in der zweiten Hälfte des 19. Jhd. allmählich aber auch nicht unwidersprochen durchsetzte, waren beide Maifischarten in ihrem Vorkommen bereits stark rückläufig. Eine Rekonstruktion ihres getrennten Vorkommens kann daher durchaus mit Skepsis betrachtet werden. Da eine Kreuzung beider Arten im Rheingebiet jedoch sehr häufig beobachtet wurde, mag der Versuch der Darstellung einer artgenauen Trennung unter Hinweis auf diese Bemerkungen zulässig sein.

Für das historische Vorkommen der Maifische in Mosel sowie Rhein und Nahe ohne nähere Ortsangaben stehen zunächst die prominenten Klassiker AUSONIUS (in: Mosella 371) und HILDEGARD VON BINGEN (in: Liber Simplicis Medicinae „Physica“ ca. 1151-1159):

 

„Wer kännte nicht die Kost geringer Leute‘
die Alse, die an manchem Herde zischt?
Wer nicht den Weißfisch, der als werte Beute
vom Knaben mit der Angel wird erwischt?
(AUSONIUS, Vers 127)

 

Maifische waren überall an den großen Fließgewässern des Rheinsystems bis Mitte des 19. Jhd. als billige und nahrhafte Saisonspeise bekannt. Ihr Ruf stand jedoch weit hinter dem des Rheinlachses. Die Finte war im Binnenland weniger häufig und auch nicht so begehrt wie der Maifisch. Häufig wurde die Finte daher als „Maifisch“ (insbesondere als Räucherware) angeboten, um einen höheren Preis zu erzielen. Maifische haben wie alle Heringsartigen einen charakteristischen, starken Geschmack (Duft) wegen ihrer besonderen Fettzusammensetzung. Im abgelaichten Zustand wurden sie als ungenießbar betrachtet.

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Das Schicksal der Maifische war dem des Rheinlachses ähnlich: gut erreichbare und unverbaute Flüsse mit geeigneten Kiesbank-Strukturen als Laich- und Aufwuchshabitate für Jungfische verschwanden im 19. Jhd. zunehmend. Schriftliche Klagen über Fangrückgänge gab es ab ca. 1860. Die Hauptursache wurde damals in den Flussregulierungen gesehen, die den Zug der Maifische verhinderten. Mit heutigem Verständnis war die zunehmende Intensivierung durch Mechanisierung der Fischerei in den Ästuaren (Holland) und der zielgerichtete Fang vor dem Ablaichen (Binnenland) mitverantwortlich für den Populationsrückgang. Eine ähnlich nachdrückliche Aufmerksamkeit wie beim Niedergang des Rheinlachs erfuhr der Maifisch aber nicht. In den 1870 und 1880ern wurden erste Versuche zur gezielten Vermehrung in besonders hergerichteten Kribben (abgetrennte Buhnenfelder) des Rheins unternommen. 1895 wurde auch eine Versuchs begleitende „Internationale Maifischkommission“ mit den am „Lachsvertrag“ von 1885 beteiligten Staaten ins Leben gerufen, aber wegen Erfolglosigkeit der Vermehrungsversuche bereits 1897 wieder aufgelöst. Die Versuche zur „künstlichen Maifischzucht“ (hierin sah man die beste Möglichkeit dem Niedergang der Population wie bei der Lachsproblematik entgegenzuwirken) wurden nunmehr allein von Preußen betrieben jedoch 1901 wegen fehlender Laichtiere als aussichtslos eingestellt. Da in Holland und im deutschen Niederrhein die Fischerei auf den Maifisch mit gleichen Geräten wie auf Lachs ausgeübt wurde, bestand in Holland wenig Interesse an besonders auf den Maifisch abgestellte Schonbestimmungen: der Lachsfischfang konnte fast über das ganze Jahr und mit wesentlich mehr Ertrag betrieben werden. Weil für den Maifisch keine stützenden Bestandsmaßnahmen (Besatz) mehr möglich waren, verschwand er bereits weit vor dem völligen Erliegen der Rheinlachspopulation bzw.-fischerei. Es ist bislang unklar, warum eine Erholung der Bestände in den 1920ern und 1930ern trotz unterbliebener Fischerei nicht erfolgte.

 

Angaben zu ihrem regionalen Vorkommen:

SCHÄFER, M. 1844.

  • Maifisch, Mutterhäring Alosa vulgaris Cuv.
    „Ihr Fang ist in der Mosel und Sauer im April und Mai oft sehr häufig; in der Saar wird sie seltener gefangen. Kommt bei uns an gegen den 6. bis 12. April und zieht die Mosel herauf bis nach Metz.“
  • Finte, Fintchen Alosa finta Cuv.
    „Sie erscheint in der Mosel bei Trier in der Regel 4 Wochen später (vom 12. – 14 Mai), als die Alse.“

v. d. BORNE, M. 1883. Maifisch

  • im Mittelrhein: „Bei Neuendorf bei Coblenz sind in den letzten Jahren ziemlich viele Maifische gefangen worden.“
  • in der Mosel: „Der Maifisch geht zahlreich in die Mosel und laicht gerne in der Nähe der Mündung bei Coblenz. Im Herbst 1877 sah man dort sehr viele 5 – 6 cm lange Maifische. Von Konz bis zur Lothringer Grenze werden oft von Mai bis Juli viele Maifische gefangen.“
  • in der Sauer: „ Für die Wanderfische ist die Sauer mit Ihren Zuflüssen unbedingt der wichtigste Fluss des Moselgebietes. Maifisch und Finte kommen im Mai und gehen im Juni zurück, ihre Zahl nimmt allmählich ab. Erstere sind häufig, letztere selten, sie gehen nicht höher wie bis Bollendorf.“

GEISENHEYNER, L. 1888. Maifisch

  • Nahe: „Früher sehr häufig, seit 20 Jahren kein Stück mehr gefangen.“

LAUTERBORN,R. 1918. Maifisch

  • im Mittelrhein: „Der früher hier sehr häufige Maifisch hat stark abgenommen.

BÜRGER, F. 1926. Maifisch

  • im Mittelrhein: „Der Fang von Maifischen, der heute fast gänzlich bedeutungslos geworden ist, war früher für das ganze Rheingebiet einer der wichtigsten Fischereibetriebe. Seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist aber in den Erträgen der Maifischerei ein ständiger Rückgang zu verzeichnen.“

 

Quellen und weiterführende Literatur:

AUSONIUS MOSELLA. 2004. Übersetzt und erläutert von Paul Dräger; Düsseldorf/Zürich

BARTL, G. & H. J. Troschel. 1997. Historische Verbreitung, Bestandsentwicklung und aktuelle Situation von Alosa alosa und A. fallax im Rheingebiet. Z Fischkunde, 4 (1-2), 119 – 162

BÜRGER, F. 1926. Die Fischereiverhältnisse im Rhein im Bereich der preußischen Rheinprovinz. Z. Fischerei, 24: 217 – 399

GROTE, W. & C. VOGT & B. HOFER. 1909. Die Süßwasserfische von Mittel-Europa, 536 S.

HILDEGARD VON BINGEN. 1991. Das Buch von den Fischen. Nach den Quellen übersetzt und erläutert von Peter Riethe; Salzburg

LAUTERBORN, R. 1903. Das Vogel-Fisch- und Thierbuch des Strassburger Fischers Leonhard Baldner aus dem Jahre 1666; Ludwigshafen, 177 S.

LAUTERBORN, R. 1918. Die geografische und biologische Gliederung des Rheinstroms III. Teil; Heidelberg

LELEK, A & G. BUHSE. 1992. Fische des Rheins; Berlin, 214 S.

SCHÄFER, M. 1844. Moselfauna; Trier 1844

VDSF (FRICKE, R.). 2004. Fisch des Jahres 2004: Der Maifisch (Alosa alosa); Offenbach, 39 S.

WEITZEL; M.1996. Beiträge zur Fischfauna der Mosel und ihrer Nebenflüsse. Dendrocopos 23: 119 - 136

 

Kontakt

Dr. Matthias Brunke
Landesamt für Umwelt (LfU)
E-Mail: matthias.brunke@lfu.rlp.de